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Quer gedacht - Meinungen und Hintergründe

Schreckensszenario Nationalpark

veröffentlicht von Diana Ammer am 26.1.2012
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V. Ammer von der LINKEN in Horn-Bad Meinberg nimmt Stellung zu einigen Behauptungen der Nationalparkgegner:

Behauptung:
Der Nationalpark Teutoburger Wald wird eingezäunt, ein Betreten wird nur durch 'Nationalparktore' möglich sein.

'Nationalparktor' werden Informationszentren genannt, die Besuchern ermöglichen sollen, sich über den Nationalpark zu informieren und die Ausgangspunkte für diverse Ausflüge in den Nationalpark darstellen. Es handelt sich somit keinesfalls um ein Tor im eigentlichen Wortsinn. Wer schon einmal einen Nationalpark besucht hat, kann dies aus eigener Anschauung bestätigigen.
Nationalparks werden nicht eingezäunt. Im Nationalpark Eifel sind jedoch einige Teilgebiete mit einem Zaun versehen, weil sich innerhalb dieser Gebiete noch gefährliche Minen aus dem zweiten Weltkrieg befinden. Im Nationalpark Edersee-Kellerwald gibt es noch Reste von Wildschutzzäunen, die aber aus der Zeit der vorhergehenden Nutzung als Jagdgebiet und dem damit einhergehenden unnatürlich hohen Schalenwildbestand stammen. Aufgrund der inzwischen erfolgten Wildreduktion auf ein natürliches Maß haben diese Zäune ihre Daseinsberechtigung verloren und werden nach und nach abgebaut.
Dass um einen Nationalpark Teutoburger Wald ein Zaun gezogen werden soll, entbehrt jeglicher Grundlage und widerspricht dem ausdrücklichen Sinn eines Nationalparks, Naturerfahrung zu ermöglichen. Dipl. Biologe Achim Frede, Fachlicher Leiter des Nationalparks Kellerwald betont in seiner Antwort auf meine schriftliche Anfrage: „Wichtig ist, im NLP werden Menschen nicht ausgesperrt, sondern sind herzlich willkommen. Das ist internationale Aufgabe neben dem Hauptzweck 'Natur Natur sein lassen' “.

Behauptung:
Das Naturerleben in dem geplanten Nationalpark wird durch umfassende Betretungsverbote weitgehend verhindert.

Manfred Großmann, Leiter des Nationalparks Hainich teilte mir auf eine entsprechende schriftliche Anfrage mit, dass in keinem Nationalpark in Deutschland die Bevölkerung ausgesperrt werde. Für den Nationalpark Hainich gebe es keinerlei Betretungsverbote und auch kein kein Wegegebot. Das Bundesamt für Naturschutz stellt in diversen Publikationen zu den Aufgaben eines Nationalparks deutlich heraus, dass ein wesentlicher Aspekt eines Nationalparks sei, der naturkundlichen Bildung und dem Naturerlebnis der Bevölkerung zu dienen. Natürlich ist es notwendig, Besucherströme möglichst so zu steuern, dass sie dem Naturschutzgedanken nicht entgegenstehen. Dies passiert aber auch in jedem anderen Naturschutzgebiet, wie es den Lippern z.B. schon vom Externsteingebiet oder dem Gebiet auf der lippischen und der preußischen Velmerstot vertraut ist. Beides wahrlich keine Gebiete, in denen die Menschen außen vor bleiben müssen. Pia Becker vom Nationalparkforstamt Eifel schrieb mir auf meine Anfrage: „[...] dass es wichtig ist die nötigen Ruhezonen für Tiere und Pflanzen zu gewährleisten und da die Bevölkerung rund um den Nationalpark stolz auf den Nationalpark ist, wird dies auch meist eingehalten.“

Behauptung:
Beeren- und Pilzesammeln wird im Nationalpark nicht mehr möglich sein.

Auch hier kann der Nationalpark Hainich als reales Beispiel herhalten: Nationalparkleiter Manfred Großmann schrieb mir hierzu, Pilze- und Beerensammeln sei im Nationalpark Hainich möglich, werde aber real kaum genutzt. Auch im Teutoburger Wald sind keine Massen von Beeren- und Pilzesammlern, so dass auch hier der Naturschutzzweck kein absolutes Verbot notwendig machte. Auch das immer wieder angeführte Argument der massiven Einschränkungen beim „Brennholzsammeln“ hält einer objektiven Überprüfung kaum stand. Es wird der Anschein erweckt, als dürfe bislang jeder ohne Einschränkung im Wald Brennholz sammeln, was aber ohne das Einverständnis des jeweiligen Waldbesitzers auch jetzt nicht zulässig ist. Die Gegner eines Nationalparks bauen pauschal mögliche Drohkulissen auf, die ganz bewusst emotionale Ablehnung jenseits einer sachlichen Begründung erzeugen wollen. Eine sachliche Diskussion, die den Interessenausgleich zwischen Naturschutz und Wirtschaft sucht, scheint unerwünscht. z.B. würden die Entwicklungszonen des Nationalparks und die nicht in den Park einbezogenen Flächen ausreichend Möglichkeiten bieten, die Interessen der Brennholznutzer zu wahren. Zusicherung wie die, das alte Holzsammelrechte bestehen bleiben sollen, werden einfach ignoriert.

Behauptung:
Der Teutoburger Wald ist  Kernstück unserer Heimat und Identität und wird verschachert.

Der Teutoburger Wald wird durch die Ausweisung als Nationalpark weder verschachert noch abgewertet. Er wird im Gegenteil als besonders wertvoller Naturraum herausgehoben. Er wird der Bevölkerung auch in keiner Weise weggenommen. Was allein langfristig gesehen wegfällt, ist die holzwirtschaftliche Nutzung eines Teils der Fläche, die aber durch das Zurverfügungstellen von Ausgleichsflächen durch das Land NRW ausgeglichen werden. Ein als Nationalpark geadelter und dementsprechend auch weiterentwickelter Naturraum Teutoburger Wald taugt wohl weit mehr für die Identifizierung einer Bevölkerung mit ihrer Heimat als eine forstwirtschaftliche Produktionsstätte. Jeder Lipper muss sich fragen, womit er sich zur Zeit am ehesten identifiziert – mit der unter Naturschutz stehenden Lippischen Verlmerstot oder der im Horner Stadtwald gelegenen höchsten Erhebung des Teutoburger Waldes, dem Barnacken, der im Gegensatz zur Velmerstot mit Sicherheit den mit Sicherheit höheren wirtschaftlichen Nutzen aufweist.

Behauptung:
Der Nationalpark stellt eine immense Steuergeldverschwendung dar.

Unabhängig davon, ob man diese Investitionen für sinnvoll hält, ist es ein Fakt, dass sich die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch die Bundesregierung unter Bundeskanzlerin Merkel, aus guten Gründen und  aufgrund internationaler Verpflichtungen beschlossen hat, bis 2050 5% der Wälder aus der forstwirtschaftlichen Nutzung nehmen zu wollen. In der im November 2007 beschlossenen Strategie zur Biodiversität steht, dass bereits bis 2020 auf 2% der Gesamtfläche der Bundesrepublik die Natur wieder nach ihren eigenen Gesetzmäßigkeiten ungestört entwickeln und Wildnis entstehen kann (vgl. Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt, Broschüre des Bundesamtes für Naturschutz, S.28, www.bmu.de). Hinter diesem Ziel liegt man zur Zeit noch weit zurück. Es ist also klar, dass in diesen Bereich erhebliche Steuermittel investiert werden. Die Frage ist nur, welche Regionen letztendlich davon profitieren werden. Die Nationalparkgegner können vielleicht einen Nationalpark Teutoburger Wald verhindern (das vergleichbare zweite Nationalparkprojekt in NRW "Nationalpark Siebengebirge" scheint bereits aus ähnlichen Gründen gescheitert zu sein) - dann werden die dafür vorgesehenen Steuergelder in andere Nationalparkprojekte investiert, ohne dass die Region Lippe direkt davon profitiert.

Behauptung:
Der beste Schutz für die wertvolle Sennelandschaft zwischen Augustdorf, Stukenbrock, Hövelhof, Sennelager, Paderborn, Bad Lippspringe und Schlangen ist der vorhandene Truppenübungsplatz Senne.

Der Abzug der britischen Streitkräfte hängt nicht von irgendwelchen Nachnutzungsplänen ab sondern ist  aus rein wirtschaftlichen Erwägungen der britischen Regierung angedacht. Die britischen Truppen würden Deutschland bis 2020 verlassen, kündigte Premierminister David Cameron bereits 2010 an. Der von der Bundeswehr genutzte Truppenübungsplatz Stapel ist nicht Teil des geplanten Nationalparks. Eine Ausweitung des bislang durch die Bundeswehr genutzten Bereichs auf das derzeit von den Briten genutzte Gebiet ist angesichts der Verkleinerung der Bundeswehr und der deutschlandweiten Standortschließungen eine reine Illusion. Fakt ist, dass die Senne ohne einen angrenzenden Nationalpark Teutoburger Wald nicht die Kriterien für einen Nationalpark und somit für eine Förderung aus dem  Programm zum Schutz der Biodiversität erfüllt, da es sich bei den Heideflächen zwar ohne Frage um ein sehr wertvolles Ökosystem handelt, aber eben um eine durch Weidewirtschaft entstandene Kulturlandschaft Wer einen Nationalpark Teutoburger Wald ablehnt, verhindert damit auch einen Nationalpark Senne. Er muss sich fragen lassen, mit welchen Geldern er nach Beendigung der militärischen Nutzung den Schutz der vielen seltenen Tier und Pflanzenarten sicherstellen möchte. Wovon soll zudem die Beseitigung oder zumindest die dauerhafte Sicherung der militärischen Altlasten bezahlt werden? Da viele dieser Gefahren noch aus der Nutzung durch die Nationalsozialisten stammen wäre es eine Illusion zu denken, die Briten würden dies komplett übernehmen. Wer den Nationalpark nicht will, muss sich auch fragen lassen, welche anderen wirtschaftlichen Alternativen er als Ausgleich für den weitgehend entfallenden Wirtschaftsfaktor Militär schaffen will.

Ausblick
Auch anderen Nationalparkprojekten gingen lange und heftige Debatten voraus. Die Vorbehalte z.B. vor Gründung das Nationalparks Kellerwald-Edersee waren ähnlich groß wie aktuell gegenüber dem Nationalpark Teutoburger Wald. Am Edersee wurden diese Vorbehalte durch die Realität widerlegt. Dipl. Biologe Achim Frede, Fachlicher Leiter des Nationalparks Kellerwald schreibt auf meine schriftliche Anfrage im Rückblick auf „15 emotionale Jahre mit teils heftigen Konfrontationen“: „Insgesamt muss man offen und transparent, aber konsequent mit den Zielen umgehen, Vertrauen schaffen und mit allen Gesellschaftsgruppen kooperieren. Die großen Erfolge der bestehenden Nationalparke in Naturschutz, Naturerlebnis, Tourismus und Regionalentwicklung kann man als unbestreitbare 'best practice-Beispiele' offensiv vorzeigen.“

(V. Ammer im Januar 2012, überarbeitet am 16.2.2012)

 

Unterschreiben Sie für den Nationalpark:

http://www.nationalpark-ja-bitte.de/

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