Für den Norderteich läuft die Zeit ab |
veröffentlicht von Administrator am 9.11.2022 |
Eingeladen zu einer Expertenrunde mit anschließender Podiumsdiskussion hatte die BUND Lippe- Ortsgruppe Süd-Ost für Samstag, den 29.10.22 . Über 80 interessierte Bürger kamen in das Kurgastzentrum Bad Meinberg, um sich über die aktuelle biologische und rechtliche Situation des Norderteiches zu informieren.
Nach der Begrüßung von Matthias Lang vom BUND stellte die Biologin und langjährige Kennerin des Naturschutzgebietes Norderteich Ulrike Hoffmann ihr fundiertes und fachlich abgestimmtes Konzept zur Rettung des Norderteiches vor. Frau Hoffmann war es auch, die im Sommer die Unterschutzstellung des Norderteiches als Bau- und Bodendenkmal bei der Stadt Horn-Bad Meinberg beantragt hatte. Der Archäologe Dr. Hans-Otto Pollmann gab einen Einblick darüber, was der Denkmalschutz zum Erhalt des Bodendenkmals beitragen kann, gab Hinweise auf Fördermöglichkeiten und dessen historischen Bedeutung.
Sie belegte eindeutig nachvollziehbar, dass die bisherigen Versäumnisse der Verantwortlichen beim LVL und Kreis Lippe nicht nur zur ökologischen Katastrophe des Sommers, sondern auch zur existentiellen Gefährdung des einzigartigen Biotops geführt hat. Und zwar ist die Situation so bedrohlich, dass die Handlungsoptionen inzwischen wenige sind und bis Ende nächsten Jahres ein „Point of no Return“ droht, also der Norderteich verloren ist und binnen von 5 Jahren nur noch Wald und etwas Sumpf ist.
In ihrem Konzept legte sie dar, warum die geplante Vorgehensweise von Kreis und LVL so nicht funktionieren kann.
Der Mönch ist nicht dicht, es plätschert laut vernehmbar, der Wasserspiegel sinkt. Als erstes sollten alle Beteiligten die Realität zur Kenntnis nehmen.
Dann müssen schnellstens Fördergelder bei Land, Bund, EU beantragt werden, nicht erst Ende nächsten Jahres, eine nachträgliche, rückwirkende Bewilligung für Maßnahmen, die vorher unbedingt nötig sind, geht nicht.
„Die Behauptung der Verantwortlichen, die Datenlage sei über 25 Jahre alt, ist falsch. Sie ist sogar sehr gut und aktuell, und auch die Vogelbeobachtungen sind genau belegt.“ Das ist die Expertenmeinung von Dietrich Horstmann. Seit über 40 Jahren beobachtet der Ornithologe und Botaniker systematisch den Norderteich, sammelt Daten und erarbeitet wissenschaftkiche Aufsätze die und kennt die Fachliteratur. Aktuelle Kartierungen haben natürlich belegt, dass der Wasserverlust auch aus Sicht des Artenschutzes den Zustand des Naturschutzgebietes verschlechtert
hat.
Dann muss natürlich auch das Stauwerk fachmännisch ausgetauscht und wieder bewegliche Staubretter eingebaut werden. Das muss vor den Winterniederschlägen 2022/2023 gemacht werden, denn liegt einmal Wasserdruck darauf, wird ein Umbau so gut wie unmöglich.
Durch die Niederschläge allein, kann der Norderteich nicht mehr volllaufen, da die natürlichen Zuflüsse zu gering sind und der von den Mönchen damals erschaffene künstliche Zufluss mangels Wartung nicht mehr funktioniert.
Deshalb muss die Wiederherstellung der Aalbachabzweigung, die Durchlässigkeit des Braukessels, und die Befreiung aller drei Zuflüsse von Sedimenten, Buschwerk und Totholz vor dem danach zu erfolgenden Gehölz- und Schlammabtrag abgeschlossen sein. Nur so kann sich der Teich sich anschließend schnellstmöglich füllen.
Auch die Behauptung, dass der Niederbeller Bach durch eine veränderte Wasserführung ökologisch beeinträchtigt wäre, ist nicht korrekt, denn nicht weit hinter der Aalbachabzweigung mündet der Silberbach in diesen. Es wäre ja sogar ein Beitrag für den Hochwasserschutz für Wöbbel.
Der Aussage, dass eine Entschlammung zu teuer wäre, es sich um 92.000 m³ Schlamm mit Kosten von 2 Millionen € widerspricht Ulrike Hoffmann. Eine Trockenentschlammung bedeutet deutlich weniger Volumen, nicht der gesamte Schlamm muss weit abtransportiert werden und kann auch teilweise in der Nähe liegen bleibe und es ist bester, unbelasteter Schlamm für die Landwirtschaft.
Sie verweist hier auf die im Sommer mit Fördergeldern der EU als LIFE-Projekt durchgeführte Entschlammungsmaßnahme im Naturschutzgebiet „Heiliges Meer“ im Nordmünsterland.
Der durch den Samenflug der Pappeln und Weiden im Mai entstandene massenhafte Gehölzaufwuchs auf den trockengelaufenen Uferflächen, der in 5 Monaten schon teilweise ca. 2! Meter beträgt, bedroht akut den Fortbestand des Norderteiches, indem sie ihn buchstäblich leersaufen. Auch in die in den vorderen gut einsehbaren Bereichen durchgeführte Mäh-und Mulcharbeiten sind nicht hinreichend, da die Wurzeln im Boden stecken und ein mehrfacher Austrieb zu beobachten ist. Und in die ganze nordöstlichen Bucht ist schon jetzt ein undurchdringbares Weiden-Pappel-Dickicht.
Der Hoffnung, dass Weiden bzw. ihr Wurzelsystem durch Überflutungen absterben, und musste Ulrike Hoffmann eine klare Absage erteilen: In Lehrbüchern der Biologie (also die Evidenz ist erwiesen) ist nachzulesen, dass die hier vorherrschenden Weidenhybriden 100 oder sogar zweihundert Überflutungstage problemlos überstehen können, oft auch bis zu dreihundert Tage.
Deshalb darf zum nächsten Pappel- und Weidensamenflug der Teichboden nicht frei liegen. Danach kann dann der Teich langsam abgelassen werden, und die Hitze-und Trockenzeiten zur Trocknung des Schlammbodens genutzt werden. Der trockene Schlamm kann dann bis auf den ursprünglichen Teichboden abgezogen werden und alte, lange verschollene Samen haben die Chance auf Keimung.
Der bessere und kostengünstigere Zeitpunkt dazu wäre August, September diesen Jahres gewesen.
„Wenn wir diese einmalige Kulturlandschaft erhalten wollen, führt kein Weg an einer Entschlammung und einem Gehölzabtrag vorbei“, resümmiert Ulrike Hoffmann. „Nur so kann der Norderteich klimastabil werden und eine Zukunft bekommen:
als Heimat bedrohter und schützenswerter Arten, als Zeuge 900-jähriger Kulturgeschichte, als Hochwasserschutz, als identitätsstiftende lippische Landschaft, als Naherholungsgebiet und echter Erlebnisraum.“
Diana Ammer, die die Moderation übernommen hatte, fasste die Stimmung des Abends zusammen:
„Schönreden und Wunschdenken hilft dem Norderteich nicht. Der Norderteich ist wertvoll und kann nicht weg!“